Gedanken zur Schlachtung und zum Schlachtfest

Ein Gastbeitrag von Judith Wohlfarth, auf deren Hofgut Silva mein Schwein lebt und die mir Mein Schwein und ich ermöglicht.


Die Schlachtung

Viele Besucher fragen uns, ob wir nicht ein Problem damit haben unsere Tiere zu schlachten, da wir ein enges Verhältnis zu ihnen haben. Für uns war von Anfang an klar: wenn wir bei der Schlachtung nicht dabei sein können, weil wir es nicht ertragen, dann können wir unsere Idee nicht umsetzen.

In der Natur geht es immer darum zu überleben; irgendwer ist immer stärker und letztendlich führt das auch dazu, dass ein Tier ein anderes Tier tötet. Was wäre, wenn wir unsere Tiere nicht schlachten würden? Wir müssten entweder die Eber von den Sauen trennen und sie dürften sich nie vermehren. Das führt bei den meisten Tieren zu schlechter Laune und Aggression. Sowohl bei den Sauen, als auch bei den Ebern. Die Alternative dazu wäre, dass wir sie nicht trennen und irgendwann unser Tierbesatz so hoch wäre, dass unser gesamtes Gelände umgewühlt wäre; die Tiere im Matsch und Dreck stehen und sich Krankheiten ausbreiten, die dann den Bestand wieder dezimieren. Tiere, die an Krankheiten zu Grunde gehen leiden länger, als bei einer sauberen Schlachtung. Beide Alternativen sind meines Erachtens zu verwerfen.

Ein Großteil der Menschen kommt zu uns, weil sie den hohen Genusswert unseres Fleisches schätzen und weil die Tiere artgerecht gehalten werden. Sowohl für unser Gewissen, die Gesundheit der Tiere, als auch für die Genussqualität ist es ausschlaggebend, dass die Tiere artgerecht gehalten werden und die Schlachtung ruhig und schnell verläuft.

Meine Mutter sagt immer „Jedes Tier lebt gleich gern“. Wir entscheiden, wer geschlachtet wird und wer leben darf. Schon allein die Entscheidung zu treffen fällt schwer. Im Endeffekt hintergehen wir das Vertrauen, das die Tiere in uns haben. Daher schulden wir den Tieren die einwandfreie Schlachtung. Der schwerste Teil, ist das Tier vom lebenden in den toten Zustand zu überbringen. Erst wenn man eine Schlachtung ein paar Mal erlebt hat, versteht man wirklich was es bedeutet, dass diese Entscheidung nicht umkehrbar ist. Aber so wie wir uns freuen, wenn wir kleine Ferkel bekommen, sind Montage, an denen wir schlachten, nicht unsere Lieblingstage. Wir sind bis zum Ende dabei. Das sind wir dem Tier schuldig und bis zum Schluss hören sie vertraute Stimmen. Wir geben dem Tier so viel Zeit wie es braucht beim Abladen und bis es im Wartebereich angekommen ist. Die Betäubung und das anschließende Ausbluten geht dann sehr schnell. Dabei muss man sagen, dass wir auch großes Glück mit dem Schlachthof in Oberkirch haben, der von der Metzgerei Müller betrieben wird, dass sie uns diese Zeit geben und unsere Tiere erst ganz zum Schluss kommen, wenn die Rush Hour des frühen Morgens vorbei ist.

So schlimm es auch klingen mag: nachdem das Leben aus den Augen der Tiere verschwunden ist, wird das Lebewesen zu einem Produkt – brühen, enthaaren, ausnehmen, zerlegen, entbeinen, verwursten. Je kleiner die Teile, desto abstrakter wird es; desto mehr verliert es die Verbindung zum lebenden Tier. Für die Wertschätzung, die das Fleisch und die verarbeiteten Produkte aber am Ende verdient haben, ist es unerlässlich diese Verbindung wieder herzustellen. Dies ist uns ein Anliegen. Deshalb verarbeiten wir auch so viel wie möglich und wir versuchen den Menschen auch Stücke vom Schwein wieder nahe zu bringen, die sie vergessen haben, wie beispielsweise Bauch oder Haxen.

Das Schlachtfest

Das Schlachten ist in der Überflussgesellschaft in der wir heute leben, kein Fest mehr. Fast jeder kann sich Fleisch leisten. Heute verzichten wir freiwillig darauf. Bis vor ca. 80 Jahren war das anders. Da war Fleisch noch ein luxuriöses Lebensmittel. Jeden Tag Fleisch zu essen konnten sich nur sehr wohlhabende Menschen leisten. Die Mittelklasse und die ärmere Bevölkerung hatte nur sehr wenig oder gar kein Fleisch zur Verfügung. Die, die es sich leisten konnten hielten sich ein, zwei Schweine im Stall, die mühevoll mit dem was die Küche abwarf, großgezogen wurden. Die Schweine wurden sehr viel älter. Das lag nicht nur an der Rasse, sondern auch daran, dass die Schweine nicht so energiereiches Futter bekommen haben. Und das wiederum war der Tatsache geschuldet, dass die Lebensmittel mit hohem Nährwert zunächst einmal die Familie ernährten und der Rest für die Schweine war. Weniger Energiezufuhr hieß langsameres Wachstum. Nach 1-2 Jahren wurden die Schweine geschlachtet. Die Schlachtung war ein Mal im Jahr und etwas ganz besonderes. Denn es hieß: der Vorratskeller wurde mit edlen Köstlichkeiten vom Schwein aufgefüllt. Die Schlachtung war wahrlich ein Fest. Schon Wochen, ja Monate vor der Schlachtung war das Fleisch im Haus ausgegangen und man freute sich auf den Nachschub. Nach der Schlachtung wurde sofort verwurstet. Alles wurde verarbeitet. Das gute Fett und das Schmalz, das heute auch weggeschmissen wird, waren wichtiger Energielieferant zu Zeiten harter körperlicher Arbeit.

Die Notwendigkeit ein Tier zu schlachten war damals also eine vollkommen andere als heute. Der Hintergrund waren Armut und Not, nicht Wohlstand und Schaulust. Die Freude, die mit dem Auffüllen der Vorratskammern entstand, kann man sich heutzutage nur noch schwer vorstellen. Heute werden viel mehr Tiere geschlachtet als wir benötigen. Ein großer Prozentsatz an Tieren und einzelnen Stücken (Füßchen, Köpfe, Ohren, etc.) werden exportiert. Warum soll es heute noch ein Fest sein ein Tier zu schlachten? Manchmal habe ich das Gefühl, je weiter der Mensch von der Schlachtung entfernt ist, desto mehr zieht es ihn hin.

Es ist wichtig, dass uns klar wird, dass ein Tier stirbt, damit wir es essen können. Und jeder Mensch sollte wenigstens Mal eine Schlachtung gesehen haben. Aber bitte in der gewohnten Schlachtstätte und nicht als Fest, wo das Tier vor versammelter Mannschaft sein Leben lässt.